Geschichten über Unterstützung
Welche Menschen kommen bei unserer Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften zusammen? Lernen Sie hier Gesichter und Geschichten kennen.
Interview mit einem Corona-bedingten Tandem
Annika, wie bist du im April auf Zeitgut Zürich Höngg-Wipkingen gestossen?
Ich wollte in dieser schwierigen Situation etwas Gutes tun und fand euch ziemlich schnell übers Internet.
Wie spielte sich die erste Begegnung mit dir und Ruth G. ab?
Als Erstes hatten wir telefonischen Kontakt und vereinbarten einen Einkaufs-Termin, ich sollte als Erstes bei ihr die Liste abholen. Ruth G. empfing mich dann an diesem Tag mit der Einkaufsliste in der Hand. Als sie mir dann die Produkte vorlesen wollte, konnte sie aber ihre Schrift nicht mehr gut lesen. Man muss dazu sagen, dass sie nicht mehr gut hört und sieht. Und in diesem Moment kam wahrscheinlich eine gewisse Aufregung dazu. Auf jeden Fall ging ich an diesem ersten Tag nach Hause, ohne die Einkaufs-Mission erfüllt zu haben. Aber wir lernten daraus: Ab dann rief ich sie immer zuerst telefonisch an, sie gab mir die Produkte bekannt und ich brachte sie ihr am nächsten Tag nach Hause. So klappte es.
Was siehst du als besonders herausfordernd bei deinem Einsatz bei Frau G.?
Ruth G. hört, wie erwähnt, nicht mehr gut und so musste ich meine Kommunikation anpassen und mir angewöhnen so langsam und deutlich wie möglich zu sprechen. Auch musste sich die Bezahlung etwas einspielen: Sie hatte vor mir für die Einkäufe Bargeld zu geben aber dies wollte ich nicht. Ich habe fast nie Bargeld dabei und hätte oft kein Rückgeld gehabt. Deshalb machten wir ab, dass ich die Einkäufe vorstrecke und ihr dann eine monatliche Rechnung ausstelle mit dem Totalbetrag. Dafür musste ich mir zwar Einzahlungsscheine organisieren aber so stimmt es für beide. Allgemein läuft es super zwischen uns, Ruth G. ist eine sehr nette Frau und gut organisiert, was es mir als Einkäuferin leicht macht.
Welche Erkenntnisse aus diesem freiwilligen Engagement möchtest du mit uns teilen?
Ich fühle mich durch diesen Einsatz um einiges verbundener in der Nachbarschaft und es ist sehr schön, eine so nette Nachbarin näher kennen zu lernen und ihr behilflich sein zu können.
Wie hast du selbst die Zeit des Lockdowns erlebt?
Ich bin Doktorandin an der Uni Zürich und wir wurden rasch ins Home Office geschickt. Zu Hause musste ich mich etwas einrichten, besorgte mir ein Pult und Bürostuhl – aber unsere Wohnung ist gross genug, das ging gut. In der Zeit des Lockdowns Zeit freute ich mich auf die täglichen «Lunch-Dates» mit meinem Mann zu Hause, dies war ein schönes gemeinsames Ritual. Zudem pflegte ich einen regen telefonischen Austausch mit meinen Freunden. Ich denke, die Zeit hat uns näher gebracht, wir fühlten uns noch verbundener, waren sozusagen alle im selben Boot.
Wie oft siehst du Ruth G. heute?
Ich gehe auch heute noch ein Mal die Woche für sie einkaufen, diesen Rhythmus haben wir so beibehalten und auch den netten Kontakt zueinander.
Frau G., wie fanden Sie in der ersten Corona Phase den Weg zu uns?
Ich habe Bekannte in Altstetten, die erzählten uns von ihren positiven Erfahrungen mit der dortigen Nachbarschaftshilfe. Meine Tochter suchte dann im Internet nach der Nachbarschaftshilfe in Höngg und wir gelangten zu Ihnen. Bis dahin erledigte meine Tochter vieles für mich aber in dieser speziellen Situation wurde es mit der Arbeit und Kind etwas zu viel.
Wie war die Anfangsphase, musste es sich zwischen Ihnen einspielen?
Annika ist eine sehr nette und hilfsbereite junge Frau, da fasste ich rasch vertrauen. Wir mussten bei unserem ersten Gespräch einmal sehr schmunzeln, als sich herausstellte, dass sie von ihrer Wohnung aus in meine Küche reinschauen kann. So nahe waren wir die ganze Zeit!
Was war für Sie besonders herausfordernd beim Abgeben des Einkaufs?
Ich bin jemand, die sich gerne im Laden selbst inspierieren lässt, weshalb das vorzeitige Planen eine Umstellung war. Aber ich gewöhnte mich schnell daran, auch mit Hilfe der stets ungeheuer bemühten Annika.
Wie erlebten Sie die Wochen des Lockdowns?
Ich habe wenig Mühe die Zeit alleine zu verbringen, das war schon als Kind so. Zudem war ich aus gesundheitlichen Gründen bereits schon vor Corona oft zu Hause. Deshalb war die Zeit des Lockdowns für mich nur eine geringe Umstellung. Manchmal fehlte mir jedoch jemand, mit dem/der ich mich austauschen konnte, das wäre rückblickend schon schön gewesen.